Das Netzwerk der antiken Philosophie

Für die Wolfgang Spickermann gewidmete Festschrift „LIBENS LAETUS MERITO“ (Philippika 180, Wiesbaden 2024, S.227-245) habe ich wieder einmal die Placita Philosophorum untersucht: Mit Hilfe eines Vergleichs der Zitatverwendungen und ihrer Paraphrasierungen kann man sehr schön zeigen, wie antike Autoren gearbeitet haben. Die Anthologie der antiken Philosophiegeschichte, die uns in den Placita Philosophorum erhalten ist, existierte vermutlich schon vor Plutarch, doch da sie innerhalb seines Werkes überliefert wurde, bietet sich Plutarch als Ausgangspunkt an. In der Verwendung von Zitaten und Paraphrasen zeigt sich, dass die Kirchenväter Athenagoras, Hippolytos und insbesondere Eusebius einen besonderen Fokus auf die Version der Philosophiegeschichte aus dem Werkkontext Plutarchs gelegt haben, auf dessen Grundlage und nach dessen Muster sie eine eigene, durchaus in der jeweiligen Anordnung differierende Widerlegung der griechischen Philosophie als christliche Doxographie verfaßt haben. 

Fragile Fakten in den Digital Humanities?

Auf dem 54. Deutschen Historikertag in Leipzig haben wir in einer Sektion über das Thema der Reproduzierbarkeit (produzieren wir in den DH dauernd Fakes und Fehler?) diskutiert. Uwe Walter (Bielefeld) hat dazu in der FAZ v. 27.9.2023 geschrieben: „In mögliche Zukünfte zu weisen unternahm die Sektion „Fragile Fakten in der digitalen Geschichtswissenschaft“. Sie war hervorragend besetzt; die Altertumswissenschaften waren und sind überdies Vorreiter beim Aufsetzen von Datenbanken und entsprechenden Anwendungen. Doch leicht aporetisch landete man letztlich bei einer modifizierten diltheyschen Figuration: Während die klassisch-hermeneutische Methode aus gleichem Materialbestand naturgemäß nie identische Ergebnisse, sondern nur mehr oder weniger plausible Narrative hervorbringt, haben die algorithmisch verfahrenden Tools das Problem der eher geringen Reproduzierbarkeit der Resultate. Weitere Knackpunkte bilden die Nachhaltigkeit und Lesbarkeit gesammelter Daten, der enorme Aufwand, um am Ball zu bleiben, sowie die Implementierung digitalen Handwerks in die akademische Lehre.“

(Ir)reproducibility of Scientific Research in the Digital Humanities?

Die VolkswagenStiftung hat uns ein neues Projekt bewilligt: Wir möchten wir die Grundlagen für Replikationsstudien in den digitalen Geisteswissenschaften legen und durch Best Practice Beispiele zeigen, dass es möglich ist, Standards für Replikationsstudien zu entwickeln und die Anforderung der Replikationsfähigkeit in den digitalen Geisteswissenschaften mit Unterstützung und in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften als einen grundsätzlichen Beitrag zur Qualitätssicherung zu etablieren.

Pseudo-Xenophon oder Xenophon?

Jetzt endlich da: Pseudo-Xenophon oder Xenophon. Wer schrieb wann die Athenaion Politeia? Gymnasium 129, 2022, 405-430. Ich denke heute (mit StyloAH und Gephi), es war Xenophon selbst!
Hier das Abstract: Wer hat die heute als pseudo-xenophontisch bezeichnete Athenaion Politeia geschrieben? Und vor allem: Wann wurde sie geschrieben? Die ‚communis opinio‘ sieht heute in der Schrift ein in den ersten Jahren des Peloponnesischen Krieges von einem Gegner der Demokratie – der in Athen lebte – verfaßtes Werk, eine Autorschaft Xenophons wird in der Regel ausgeschlossen. Hier wird ein Neuansatz vorgestellt, indem die Zuordnung der pseudo-xenophontischen Athenaion Politeia zu Autoren und Werkgruppen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. mit Hilfe der digitalen Textanalyse untersucht wird. Das über eine stilometrische Analyse gewonnene Ergebnis zeigt eine enge Verbindung zwischen der pseudo-xenophontischen Athenaion Politeia und zahlreichen anderen Werken Xenophons (insb. Lak. Pol., aber auch Mem., Kyr.) sowie zu Thukydides. Ausgehend von diesem Befund wird überprüft, wie sich das Ergebnis der digitalen Textanalyse zu der historischen Kontextualisierung der pseudo-xenophontischen Athenaion Politeia verhält. Im Ergebnis zeigt sich ein enger Zusammenhang mit dem Werk Xenophons, der darauf hinweist, daß die Schrift wahrscheinlich erst in den 360er/350er Jahren des 4. Jahrhunderts geschrieben wurde.

Digital Humanities: Werkzeug oder Wissenschaft?

Podiumsdiskussion „Digitale Geisteswissenschaften: Werkzeug oder Wissenschaft?“ am 25.7.22 in Graz, Zentrum für Informationsmodellierung (hat Spaß gemacht, war sehr interessant und bestens organisiert- Dank an Helmut W.Klug und Georg Vogeler):

https://unitube.uni-graz.at/portal/aufzeichnungen.html?id=00351831-e34c-4855-8a83-597c5a55933f